Bisher war gerade die Vorweihnachtszeit immer stressig für mich, Besinnlichkeit und Ruhe war selten zu verspüren. Doch gerade in den letzten Tagen und Wochen, nach einem turbulenten Jahr ist Ruhe eingekehrt.
Oder ist einfach nur Sand im Getriebe?
Hinaus, Hinauf, Berge, Klettern, Skitour!
Sobald die Sonne auch nur einen Milimeter hinter einer Wolke hervorlugt, treibt es mich normal nach draußen. Hinauf! Doch in letzter Zeit hält sich der Drang in Grenzen, daher war ich auch gar nicht enttäuscht, dass dieses Wochenende im Zeichen des Schlechtwetters stand.
Familienzeit, Zeit zu Hause auf der Couch, Zeit zu Denken, zu Faulenzen und Dinge zu tun, für die sonst keine Zeit ist. Ruhe ist eingekehrt und ich frage mich, woher sie kommt.
Länger schon haben sich die Mühen und das Auf und Ab des noch nicht ganz beendeten Jahres bemerkbar gemacht. Vieles hat sich verändert und vieles haben wir durchlebt.
Wir und insbesondere ich, waren getrieben von den Bergen. Manchmal scheint es, als hätte ich Philip mit meinem inneren Unfrieden angesteckt und wir haben versucht die Berge in die komplette Lebensplanung zu integrieren. Was Anfangs noch leicht schien und gut funktionierte, hat sich als Langzeitlösung nicht durchgesetzt. Immer unterwegs sein, immer zwischen Arbeit und Berg durch Österreich tingeln, aus Taschen leben, während dein Leben sich um 360° dreht, dazwischen noch einen großartigen Urlaub planen und nebenbei mal eine Dissertation fertigstellen. An sich hat dieser Plan wunderbar funktioniert, die erlebten Touren waren schön, die Arbeit wurde zur Zufriedenheit fertiggestellt, der Urlaub lief wie am Schnürchen und die Diss ist auch eingereicht.
Aber andere Dinge mussten zurückstellen und das ist eine unschöne Tatsache.
Zwischen Tür und Angel Hausarbeit erledigen, Freundschaften pflegen bei vollem Terminkalender (zwischen Tour und Arbeit), andere Hobbies und vor allem auch gelebte Zweisamkeit leiden unter dieser Krankheit "Bergnarrisch".
Dieser Drang in jeder freien Minute unterwegs zu sein, ist verschwunden und einer besinnlichen Gemütlichkeit gewichen.
Gerade dieses ruhige Wochenende hat mir aufgezeigt, was ich seit längerem schon bemerkt habe: mein innerer Unfrieden, mein Drang um allen Preis hinaus zu wollen ist weg. Manchmal habe ich schlicht keine Lust mehr. Es ist so viel zu tun und an manchen Tagen will ich einfach nur genießen, nicht auf die Sekunde genau planen müssen und andere Dinge in den Vordergrund stellen, ohne dass ein kleiner Teufel in meinem Kopf ruft "das Wetter ist schön, du solltest rauf auf den Berg.. rauf rauf rauf". Sollen doch andere gehen!
Stress statt Genuss, Sinn der Sache?
Die Touren werden anspruchsvoller, es bleibt keine Zeit zwischen 3 Touren pro Woche und einem nicht unaufwendigen Job und einer Diss noch vernünftige Tourenplanung zu machen. Klettern will ebenfalls noch trainiert werden und man hat ja ein Leben abseits der Berge auch noch. Oder hat man das?
Wie machen anderes das?
Wie schaffen es andere, fast täglich irgendwo in der Natur unterwegs zu sein und nebenbei noch ein normales Leben zu führen?
Wir sind mit unseren flexiblen Arbeitszeiten schon privilegiert genug, uns einige feine Tage herauspicken zu können, dennoch bleibt nichts übrig von unserer Zeit. Wir sitzen bis 1 Uhr Nachts meist vor dem Laptop, arbeiten, schreiben manchmal Blogbeiträge oder planen eine Tour. Die restliche freie Zeit wird Wäsche gewaschen und gekocht, das einzige Hobby, für das noch Zeit bleibt. Und das ist wohl nur deshalb so, weil man halt einfach Essen muss. ;)
Das kann so nicht sein und das akzeptiere ich nicht mehr so. Ich bin mehr als das und mein Leben bietet mehr als das! Die Reise durch Peru und Bolivien hat gezeigt: Ich liebe die Berge, aber ich liebe auch das Leben abseits davon. Ich liebe Kultur, gutes Essen, Reisen, Bildung und Begegnungen. Vielleicht verlange ich zuviel, aber so ist das eben: Ich will alles und ich will es jetzt!
Qualität statt Quantität
Was beim Essen für mich Grundsatz ist, kann auch beim Bergsport nicht verkehrt sein. Weniger ist mehr, Training schön und gut, dafür mal schnell einen Trailrun hinzulegen ist ja in Ordnung. Aber 3x in der Woche ausgewachsene Touren, die Planung und Zeit erfordern durchzuführen ist nicht möglich und bringt Stress statt Freude. 3-4 Tage in Folge lange Touren, unterbrochen nur von Arbeit und Autofahrten sind auf Dauer nicht drin. Der Urlaub war schön aber hat mehr Energie gekostet als er brachte, die verlorene Arbeitszeit davor und danach hereinarbeiten hat ihr übriges dazu getan. 2 größere Touren jedes Wochenende? Evtl. wegfahren dazu erfordert Planung. Dazwischen noch Klettern in der Halle, Laufen gehen und dann noch eine Tour zwischendrin. Dazu 40-50h Arbeit und andere Hobbies? Geht nicht. Also zurück zum Anfang. Weniger ist mehr!
Vielleicht verhält sich die Bergleidenschaft wie eine Sinusschwingung? Mal mehr, mal weniger. Je nachdem welche Wellenlänge gerade herrscht, rückt dafür etwas anderes in den Vorder- oder Hintergrund.
Wo wollen wir hin, wie soll das weiter gehen?
Wir wollen nicht auf der Stelle treten, weder am Berg, noch im Beruf, so ist auch der Job wieder in den Vordergrund gerückt. Ich will mehr tun, mehr erreichen, mehr lernen!
Das gilt auch für den Berg, wenn auch nicht mehr in diesem Ausmaß. Habe ich meinen inneren Drang befriedigt? Meine Energie ist nun scheinbar doch nicht unerschöpflich, wie manche es mir früher erzählen wollten. Meine Energiereserven leeren sich und pausenlos am Limit (beruflich, sowie in der Freizeit) zu sein, füllt sie nicht auf. Touren, wie sie die letzten Wochen gebracht haben, tragen jedoch dazu bei, sie wieder aufzuladen. Besinnliche und einsame Touren in sanften Landschaften, wo nicht jede Sekunde zählt, nicht jeder Höhenmeter wichtig ist, keine Kletterei gefragt ist aber die dennoch einen gewisser Anspruch beinhalten. Touren, wo wir als Paar mehr Gelegenheit haben uns zu unterhalten, wo wir verweilen dürfen und einfach nur auftanken können. Zehren von der Schönheit der Natur und dem Erlebnis an sich. Wo das Erlebnis schon während des Erlebens bewusst wird und nicht erst zuhause im Wohnzimmer, weil während der Tour keine Zeit dafür blieb.
Der Drang ist geschwunden, wie konnte das passieren?
Früher hatte ich pausenlos den Drang loszuziehen und zu laufen. Dorthin wo ich mich frei und glücklich fühlte, wo alle Gedanken nichtig waren und wo das Leben für kurze Zeit stehen blieb. Ein Schatten dabei hat mich immer verfolgt. Ich war oft alleine und der Drang loszuziehen kehrte viel zu rasch wieder. Der Mensch der mir wichtig war, konnte nicht verstehen, was mich trieb und was ich suchte.
Jetzt gehe ich auf den Berg und bin zufrieden. Diese extreme Getriebenheit ist verloren gegangen. Ich habe etwas am Berg gefunden. Nicht nur mich selbst, sondern diesen Menschen, der mir wichtig ist und der verstehen kann, was mich treibt, weil er ebenfalls ein Getriebener ist. Ich bin nicht mehr alleine am Berg. Und ich kann dieses Glück und die Freiheit mit nach Hause nehmen, für die Tage, an denen der Berg nicht wichtig ist. Denn ich habe ja diesen Menschen, der mich frei und glücklich macht, weil er genau weiß, was ich suchte.
Diesen Drang, diese Leidenschaft, diese Sehnsucht teilen zu können mit jemandem, der es nicht nur versteht sondern in diesem Punkt mein Spiegel ist, hat mir gezeigt, dass es so viel mehr gemeinsam zu entdecken gibt und das Erlebte ist doppelt so schön für mich geworden. Der Hunger nach der nächsten Bergtour ist gebremst, ganz verschwinden wird er wohl nie. Und das ist auch gut so. Wir haben uns gemeinsam sattgefressen an den Bergen und dem was sie uns bieten, der Hunger wird wiederkehren, doch nicht in der alles verzehrenden Form, die er hatte. Denn wir wissen, dass wir jederzeit naschen dürfen von den Schmankerln, die die Bergwelt zu bieten hat, dass die Touren, die unseren Drang stillen, nicht davonlaufen und dass das Leben abseits der Berge, so viele andere Dinge bietet, von denen wir kosten wollen.