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Vom NICHT-Kamin-Klettern, der grünen Zustiegshölle und dem Latschen-Vierer

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Unsere Freunde am Gipfel des Traunstein treffen, bzw. auf der Hütte. Das wäre der Plan. Am Weg noch eine Klettertour, das wäre schön. Aber was am Traunstein noch klettern, wo wir doch schon alles kennen?
Der Pauli Kamin böte sich an. Von nicht lohnenswert bis "wird nicht mehr gemacht" haben wir so ziemlich alles schon gehört. Aber im Führer findet sich ja eine Zustiegsbeschreibung und mit einem IVer Kamin sollten wir schon klarkommen...

Von Gämsenkot und Schrofen-Steilgras...

Naja, beim Zustieg fällt uns schon mal eines auf: Es ist irgendwie immer noch ein bisserl feucht. Hm... ob da ein Kamin so eine gute Idee ist? Wir sausen jedenfalls motiviert den Hernlersteig hinauf und suchen unsere Abzweigung zum Zustieg der Pauli Kamine.
Die Abzweigung ist rasch gefunden, aber ob das auch wirklich begangen wird? Sieht irgendwie eher unausgeprägt aus. Aber mal sehen, in diesem Gelände kann man ja überall gehen, das findet sich sicher weiter oben besser zusammen. Steile Wiese, sagt die Beschreibung, also suchen wird mal...

Duuuu... das Gras da ist irgendwie echt ganz schön steil....

Alter Schalter, der Hang legt sich ganz schön nach vorne, die Spuren sehen auch irgendwie immer mehr nach Gämsenklo aus, als nach menschlichen Spuren. Was für eine (im wahrsten Sinne) Scheisse!
Rutschiges, nasses Steilgras ist ja nicht unbedingt das Lieblingsterrain der felsaffinen Kletterer und schön langsam fühle ich mich unwohl. Einzig der Gedanke: "Bloß den Scheiss hier nicht mehr absteigen!" treibt uns weiter nach oben. Flucht in Richtung FELS ist unser Gedanke. Aber irgendwie kommen immer wieder leichte Zweifel, ob wir hier richtig sind.... das schaut so dermaßen unbegangen aus...


Eine Latschengasse und ein Hoffnungsschimmer - das Pauliwandl!

Latschen! Ausgeschnitten! JA JA JA! Wir frohlocken!

Ob sich jemand schon einmal über abgeschnittene Latschen so sehr gefreut hat? Ich bezweifle es!
Wir angeln uns von Latschenast zu Latschenast und gelangen an eine weitere schrofige Stelle. Ein Baum bietet eine super Gelegenheit für eine Pseudo-Verschneidungskletterei und wir stehen auf einem Band. Kurz zuvor waren wir bereit umzudrehen. Aber dann hat uns die Beschreibung "hinauf auf eine Terrasse" doch noch den richtigen Anstoß gegeben.

Bin unsicher, fällt das unter "ausg'schnitten"?

Endlich mal KLETTERN!

Das Pauliwandl! Da ist es! Etwas zu motiviert packen wir das Seil aus und schwingen uns hoch.
Das Pauliwandl ist eine III+, ein Spreizschritt ist zu vollziehen und dann steht man gleich wieder im leichteren Gelände. Und kaum ist man um die Kurve wird das Gelände wieder anspruchsvoller: nämlich grasig, steil und nass. Aber leider keine Spur von Fels. A "Gatschrinn" sozusagen. Der Stand: ein Baum. Das Gelände: nasses Gras. Ultimativ!
Wir haben sowas von die Schnauze voll!

Zecken, Gamsbemmerl und die Erkenntnis

Wir finden wieder ein Steiglein. Ausgeprägt zu Beginn. Freude! Ja da gehts jetzt weiter. Aber wie es in dem Gelände so ist: alles sieht gleich aus, das Gras wird steiler. Im Führer steht: über steile Schrofen hinauf. Ok... na gut... aber echt jetzt? Das hat ja schon fast 60°? Ich taste mich mit den Laufschuhen höher, die linke Hand greift eine Latsche. Gott sei Dank! Denn im selben Moment reisst es mir beide Füße mitsamt Graspolster und Erde weg und ich rutsche nach unten. Na servas!
"Nein, da gehts nicht weiter! Zu steil!" rufe ich dem Philip zu. Und irgendwie keine Spuren... denke ich mir.

Insgeheim interessierts uns beide nicht mehr so sehr. Wir wollen nicht mehr. Zu lange ächzen wir schon im steilen Schrofengelände herum, die Zeit läuft davon und wir wollen eigentlich lieber mit unseren Freunden ein Bier trinken. Also weiter, auf den Pfad, der irgendwie ausgetreten aussieht. Wir müssen zu dem blöden Kamin! 5min gehts dahin, dann drehen wir uns wieder um für einen Lagecheck. Gelände wird mental durchgerastert. Scheisse! Wir sind viel zu hoch oben... die Pauli Kamine scheinen uns von der Ferne zu verhöhnen. Von einem ganz anderen Felsband. Weiter unten. Dazwischen: Felsen. Unüberwindbar.



Die Rinne aus dem Dilemma...

Wir könnten zurück, wieder runter, wieder suchen. Aber wir haben, wie schon erwähnt die Schnauze gestrichen voll. MAG NICHT MEHR!
Also ein letzter Hoffnungschimmer: Die breite Rinne, die hier nach Osten führt, könnte doch irgendwie aufs Plateau führen! Oder zum Hernler? Auch wenn mir mein Gefühl sagt: nö, das kann nicht sein... der is ja viel weiter unter uns... eher noch führt die Rinne irgendwie zum Klettersteig.
Egal, wir probieren das jetzt. Los gehts! Bis ganz nach oben. Wieder Steilgras, aber immerhin nicht ganz so arg senkrecht wie zuvor. Dann stehen wir am Ende der Rinne. Aus. Na super! Links von uns Latschen, rechts ein Felswandl. Gerade aus: Felsen.
Dammit! Ok, geringstes Übel: die Latschen. Da kurz mal durchkämpfen und schauen, wos weitergeht. Wir turnen hinauf auf einen schmalen Grat, darauf: Latschen. Links unter uns ist er zu sehen: der Hernlersteig. Haha. Aber wir sehen am Ende unseres "Latschengrats" wieder eine sehr breite Rinne. Und die scheint absolut sicher aufs Plateau zu führen. Tschaka! Rauf das Ding, jetzt wieder im gemütlichen Gras und Schrofengelände und dann auf einmal wie aus dem Nichts ein sagenhafter Eye-Catcher. A Stoamandl! Woooohooo! Party hard! Das werden wohl kaum die Gämsen gebaut haben! Ob das hier mittlerweile als alternativer Zustieg von "oben" genutzt wird?

Gmundnerhütte wir kommen!

Nach einigen wenigen Höhenmetern stehen wir schon im Wald. Nämlich im Wald zwischen Traunkirchnerkogel und Gmundnerhütte. Nach einer Minute sind wir dann auch schon beim Wanderschild, das die Abzweigung zum Mairalmsteig ankündigt. Na endlich!

Dann rennen wir zur Hütte, wo Margit und Martin warten, die anderen sind eh noch nicht da. Wir suchen die Wadeln ein letztes Mal nach Zecken ab. Sagenhafte Tour. Gefühlte 10kg Schlosserei komplett für die Katz über den Traunstein geschleppt. Wir ärgern uns schon, aber auf den Kamin hätten wir jetzt ohnehin keine Lust mehr gehabt. Scheiss Gras! Wer tut sich sowas an?

Philip meinte noch gegen Ende der Ausstiegsrinne: "Ich glaub ich hab da mal wo gelesen, dass der alte Zustieg fast nicht mehr begangen wird..." achja gut... sowas fällt uns ja immer nach der Tour ein. Zustiege liegen uns irgendwie nicht so sehr. Aber die Gämsen haben sich sicher totgelacht bei unseren Rutschpartien im Steilgras. Kabarettprogramm Homo Sapiens Kletteriensis. Eine sehr widerstandsfähige und leidensfähige Spezies, sagt man. Und manchmal hat sie ein Brett vorm Kopf.

Fazit: Absolut lohnenswerter Zustieg im besten Ranz-Gelände. Unfeste Graspolster zwischen Latschen und steilen Schrofen sorgen für richtig alpines Wiesenfeeling. Unzählige Zecken werten den Zustieg im Frühling markant auf, Steinschlag durch Gämsen erhöht den Spannungsfaktor!
Vorsicht bei Trockenheit: Tour ist dann viel zu ungefährlich und nicht mehr so schön rutschig! Bei Bedarf haben wir natürlich einen GPS Track dieser wunderschönen "Nicht-Klettertour" für euch.

Nächstes Mal gehen wir den Zustieg eventuell, wenn das Gras nicht vom Winter geschwächt ist, sondern besser verwurzelt. Dann bleibts eventuell auch vor Ort, wenn man draufsteigt. Wir bringen dann mehr Zeit mit und halten die Augen besser auf, wo man denn wirklich zum Kamin rauf muss.
Oder wir gehen den Zustieg nächstes Mal wirklich von oben. ;)

Diclaimer: Empfindungen sind absolut subjektiv und unter Umständen stark überzeichnet *hüstel*. Eventuell mag es den ein oder anderen Pauli-Kamin-Geher geben, der diesen Zustieg landschaftlich einmalig findet. Andere Leute haben die Tour ja auch schon genossen und sich nicht mockiert, vielleicht sind wir nur "picky" mit unseren Anforderungen wie z.B. festem Fels und einen mindestens 50:50 Anteil von Klettern: Zustieg.Vielleicht erscheint das Steilgras beim zweiten Mal auch gar nicht mehr so schlimm (oder die Zeckenplage). Oder wir hatten die falschen Vorstellungen von "Klettern". Vielleicht sind wir auch noch verwöhnt vom bisherigen Saisonstart im Klettergarten und Plaisiertouren. Die Saison ist ja noch jung und der Zustiegs-Fauxpas alpiner Routen sind noch keinerlei Grenzen gesetzt. Also auf ein Neues!
Bleibt dabei für eine nächste Folge von "Zustieg sucks!" ;)
Mehr Spass beim Zustieg findet ihr auch im Artikel Ostwandverschneidung am Untersberg (Abseilen zum Einstieg - eine Krux für sich!)
Wie man erfolgreich die Route nicht findet, könnt ihr an DIESEM Beispiel lesen.

Wie geht es euch mit Zustiegen? Habt ihr auch eine weniger schöne Story dazu? Teilt's uns mit, wir freuen uns über Kommentare!

Verschiedene Wege auf den Stoa findet ihr hier:


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